Der Tulpenwahn – Vom Mosiakvirus, der die Niederländer in den Wahnsinn trieb
Die verrückteste Spekulation fand im Sommer 1633 statt und ging bis ins Jahr 1637. Angefangen hat alles mit einem Päckchen Tulpenzwiebeln und Samen, geschickt von Ogier Gjhieselin de Busbecq, Gesandter Kaiser Ferdinand I., an den kaiserlichen Hofbotaniker Charles de l’Ecluse. De l´Ecluse verschlug es nach einiger Zeit von Wien nach Leiden an die Universität. Er war der erste, der Tulpen in den Niederlanden züchtete. Natürlich nur zu wissenschaftlichen Zwecken. Infolge eines Diebstahls aus seinem Garten, verbreiteten sich die Blumenzwiebeln der Tulpe rasant auf dem freien Markt.
Im Jahre 1637 ging ein Seefahrer der Einladung zum Fisch essen nach, zur Tischdekoration platzierte der Gastgeber eine Tulpenzwiebel auf den Tisch, um seinen Reichtum zu verdeutlichen. Der Seemann jedoch dachte diese Zwiebel wäre eine Beilage zum Gericht und aß diese unwissentlich auf, da täuschte er sich gehörig. Der Gastgeber war mehr als bedrückt über das verbleiben seiner teuren Tulpenzwiebel, nach heutigem Maßstab hätte sie einen Wert von 25.000 Euro gehabt.
Bevor wir aber die Geschichte des Tulpenfiebers fortsetzen ist es noch interessant zu wissen, wie die Tulpe eigentlich zu ihrem Namen kam. De Busbecp schrieb in einem Brief über die ‚tulipa turcanum‘, Tulpen der Türken. Ein Übersetzungsfehler brachte ihr den Namen den sie heutzutage trägt. Im türkischen ist das Wort für Blume „Lale“. Er verwechselte es mit der Bezeichnung für ihre turbanähnliche Blütenform „Tülbent“, daraus entstand die Bezeichnung der heutigen Tulpe.
In Frankreich war die Tulpe schon länger eine Modeblume. Da war es nur eine Frage der Zeit, wann es in den Niederlanden soweit wäre. Die Reichsten der Reichen hatten schon alles was man mit Geld kaufen konnte, also war das Interesse groß ein anscheinend seltenes Gut ihr Eigen zu nennen. Sie fingen an Tulpen in ihren Gärten zu züchten, wenn diese dann in voller Blüte standen, wurden kleine Feste und Gartenschauen veranstaltet. Zu den Festivitäten wurden nur ausgewählte Personen geladen. Besonders begehrt waren Tulpen die „über Nacht“ ihre Farbe und ihr Muster veränderten. Was zu der Zeit keiner wusste, die Zwiebel war von dem Mosaikvirus befallen. Entdeckt wurde diese erst im Jahre 1920. Das Virus wird von Blattläusen übertragen und führt dazu, dass sich die Grundfärbung nicht über die ganze Blüte verteilt, sondern in Form von weißlich oder gelblichen Schlieren, Sprenkel und Tupfern unterbrochen wird. So entstehen unvorhersehbare Muster, die bei den Menschen sehr begehrt waren. Die Farbkontraste waren eben spektakulär, sie reichten von Rot bis dunkel Violett bis hin zu Schwarz auf weißen oder gelben Untergrund. Keiner konnte vorhersehen wie sich die Tulpenblüten entwickeln würden. Die begehrtesten Sorten waren „Semper Augustus“, „Visco Roy“ oder „Admiral van der Eijck“. Diese waren zugleich auch die teuersten. Im Jahr 1637 konnte man für die Art „Semper Augustus“ bis zu 10.000 Gulden verlangen, heutzutage wären das knapp 1 Million Euro. Mit dem Betrag konnte man damals eine mehrköpfige Familie ein halbes Leben lang versorgen. Die Sorte „Semper Augustus“ wurde nach dem niederländischen Maler Rembrandt van Rijn benannt. Heutzutage gibt es diese Sorte nicht mehr, aber es wurde eine andere Sorte gezüchtet, die der Rembrandt Tulpe sehr ähnelt. Sie hat vergleichbare Farbverläufe an Blüten und Blätter und sie trägt nicht das Mosaikvirus in sich.
Immer mehr Menschen verfielen in den Tulpenwahn, vernachlässigten dadurch ihre gelernten Berufe und fingen an in Gärtnereien zu arbeiten. Einfach jeder wollte an dem Reichtum der Tulpe mitverdienen. Bald ging es den Geschäftsleuten, den Floristen, nicht mehr um die Schönheit der Pflanzen, sondern nur noch darum schnell viel Geld zu verdienen. Mit den ehrlichen Züchtern und Verkäufern erschienen natürlich auch die Betrüger an der Bildoberfläche. Sie boten angebliche Raritäten an, die sich aber als reinste Mogelpackung erwiesen. Meistens war es eine Allerweltstulpe, die nicht ihr Preis wert war. 1633 wurde ein Stadthaus in Amsterdam für nur 3 Tulpenzwiebeln verkauft. Der Wert der drei Zwiebeln war so hoch wie ein Achtjahresgehalt eines Zimmermannes. Blumenexperten verloren mit der Zeit den Überblick über die Sortenvielfalt. Dadurch entwickelte sich ein neuer Industriezweig. Kataloge, Alben und Flugschriften nur über Tulpen wurden erstellt. So fiel es ihnen leichter eine Übersicht zu erhalten. Das war das erste Wirtschaftsmagazin der Weltgeschichte. Die Kataloge wurden im wöchentlichen Rhythmus erneuert. Die Preise veränderten sich, es gab wieder neue Sorten, dass alles wurde festgehalten.
Durch die Flugblätter kamen immer mehr Kaufleute auf die Idee mit der Zwiebel Geld zu verdienen. Gastwirte, Bauern, Maurer und sogar Hausierer wollten ihr Glück probieren. Viele verpfändeten ihr ganzes Eigentum – Häuser, Werkzeuge und Zuchtvieh- um Kapital aus der Tulpenzwiebel zu erwirtschaften.
Im Herbst 1635 kam es zu einem erneuten Aufschwung und die Zwiebel wurde das ganze Jahr über verkauft. Die Nachfrage war so hoch, dass die Tulpen nicht mehr auf ihren Wert überprüft werden konnten. Zwischenzeitlich wurde mit Anteilscheinen gehandelt. Die Kunden haben einen Teil angezahlt ohne die Zwiebel je gesehen zu haben. Wenn die Zwiebel das richtige Stadium erreicht hat, musste der Rest der Summe beglichen werden. Jetzt konnten die Kunden die Tulpenzwiebel ihr Eigen nennen. Viele Geschäftsleute verkauften aber ihre Anteilscheine gewinnbringend weiter. Es war kein Einzelfall, dass die Anteilscheine mehrmals am Tag ihren Besitzer wechselten.
Für Gold und Silber gab es bei der Amsterdamer Börse strenge Kontrollen, nach damaligen Maßstäben. Die Tulpe aber hatte im Vergleich wenige Kontrollen. Da die Nachfrage das Angebot überstieg, wurden die begehrten Tulpensorten rar und es kamen wertlose Tulpen auf den Markt. Eine Überhitzung des Marktes war kaum mehr aufzuhalten.
Im 7.Februar 1637 bei einer Auktion in Haarlem kam es dann zu einem Eklat. Tulpen wurden angeboten, aber sie erzielten nicht den gewünschten Preis, keiner wollte sie kaufen. Die Meldung verbreitete sich rasant, erst in den Schenken der Stadt bis hin aufs Land. Jeder wollte seine Zwiebeln noch zu Geld machen, doch sie waren schlagartig wertlos. Der Kurs brach plötzlich um 95% ein und die Tulpe war nichts mehr wert. Flugblätter mit Titeln wie „Floras Krankenlager“, „Der Untergang der großen Gartenhure“ oder „Schurkengöttin Flora“ wurden in Umlauf gebracht. Eine Schlichtungskommission wurde in betroffenen Städten gegründet um eine noch schlimmere Krise zu verhindern. Über 1000 abgeschlossene Kaufverträge konnten nicht zum Abschluss kommen, da den Menschen das Kapital fehlte. Dadurch wurde die Regelung getroffen, dass Verträge gegen 1-5% des vereinbarten Kaufpreises abgegolten werden konnten.
Nur wer schlau genug war und seine Zwiebel früh genug zu Geld gemacht hat blieb verschont. Alle anderen waren bankrott und ruiniert, sie verloren ihr komplettes Eigentum.